Geschrieben von: Peter With
Kategorie: Aktuelle Infos
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Gespannt erwartete man den Auftritt von Dr. Pirmin Meier beim Verein Gegen GrossLuzern.  Was hat der bekannte Schriftsteller und Innerschweizer Kulturpreisträger zu Gemeindefusionen zu sagen? Die aus dem ganzen Kanton angereisten Besucher wurden nicht enttäuscht. In seinem leidenschaftlichen Vortrag zog die intellektuelle Kapazität das Publikum in seinen Bann. Meier plädierte mit Nachdruck für mehr Eigenverantwortung, bürgernahe Strukturen und das Subsidiaritätsprinzip. Er warb aber auch für Verständnis für aktuelle politische Entwicklungen.
 
Mit Freude konnte Anian Liebrand die zahlreich erschienenen Gäste im Restaurant Obermättli, Reussbühl, zur öffentlichen Veranstaltung willkommen heissen. Im Namen des Vereins Gegen GrossLuzern (GGL) konnte er nebst vielen parteiunabhängigen Zuhörern auch namhafte Politgrössen aus allen bürgerlichen Parteien begrüssen. Unter den Anwesenden ist besonders Gody Studer, Gemeindepräsident (CVP) von Escholzmatt und GGL-Ehrenmitglied, zu erwähnen.
 
Sonderfall Schweiz
Der Anlass startete mit einem engagiert vorgetragenen Tour d'horizon von Dr. Hermann Suter (FDP). In seiner gewohnt begeisterungsfähigen Art kritisierte das brillante und anerkannte Polit-Schwergewicht  die aktuelle politische Lage der Schweiz. Werte, welche die Schweiz stark machten, würden von den eidgenössischen Politikern zunehmend vernachlässigt. Die folgenschwere Fusionswelle und die damit einhergehende Kampagne gegen den Sonderfall Schweiz sei zu verurteilen. Suter mahnte an die Bedeutung jahrhundertealter, historisch gewachsenen Gemeinwesen als identitätsstiftende Gebilde. Jede Gemeinde sei einzigartig, weshalb jede Fusion auch sorgfältig geprüft werden müsse. Ein allfälliger Fusionsentscheid dürfe nicht mit finanziellen Lockmittel von oben herab einseitig begünstigt werden. Das Volk soll ohne Druck von aussen entscheiden dürfen, ob es fusionieren wolle oder nicht. Hier der Link zum kompletten Referat.
 
Kleine Strukturen sind erfolgreich
Nach der Einleitung durch Hermann Suter startete Pirmin Meier mit seinem Referat. Er dankte für die Einladung und betonte, wie wichtig ihm eine kontrovers geführte Auseinandersetzung zum Thema Fusionen sei. Von daher sei es ihm ein Anliegen, Denkanstösse zu geben und zum Nachdenken anzuregen. Meier brillierte mit seinem erstaunlichen Detailwissen um die politischen Zusammenhänge und historischen Abläufe. Zur Verblüffung des Publikums verwies er darauf, dass der Kanton Luzern von allen Schweizer Kantonen mit 30 Millionen Franken in den letzten Jahren die meisten finanziellen Mittel für die Förderung von Gemeindefusionen ausgegeben habe. Gefolgt von den Kantonen Bern und Graubünden. Er stellte die Frage in den Raum, ob diese Kantone denn auch wirklich zu den erfolgreichsten gehören. Für besonders interessant halte er hingegen die Tatsache, dass sein Heimatkanton Aargau mittlerweile zum zweitstärksten Wirtschaftskanton nach Zürich aufgestiegen sei. Dies, obwohl im Kanton Aargau keine Stadt über 20'000 Einwohner zähle. Ob wohl nicht gerade in den kleinräumigen Strukturen der entscheidende Standortvorteil liege? Auf jeden Fall sei es erwiesen, dass kleinräumig gegliederte Kantone wesentlich weniger Staatsausgaben vorweisen als es bei eher zentralistisch gegliederten Kantonen der Fall sei.
 
Die Vorteile des Subsidiaritätsprinzips
Für eine der wichtigsten Grundpfeiler des hart erarbeiteten Schweizer Wohlstands hält Meier das in der Verfassung verankerte Subsidiaritätsprinzip, das durch einen wachsenden Staatsapparat immer mehr in Frage gestellt werde. Er erläuterte dessen Vorteile anhand eines konkreten Beispiels: „Welche Institution ist in einer kleineren Gemeinde verantwortlich für die Errichtung der Strassenbänke? Der Bund, der Kanton, die Gemeinde oder wohl eher der örtliche Verkehrsverein? In einer bürgernahen Gemeinde mit einem intakten Vereins- und Kulturleben übernimmt in der Regel der Verkehrsverein diese Aufgabe. Der Allgemeinheit entstehen keine Kosten. In einer anonymen, fusionierten Grossgemeinde ist dieser Mechanismus keineswegs mehr selbstverständlich. Häufig werden Aufgaben, die früher auf freiwilliger Basis erledigt wurden, dann von den Gemeinden übernommen.“ Das Subsidiaritätprinzip bedeute, dass eine Aufgabe möglichst immer von der nächst unteren Stufe erledigt werden soll. Was eine Gemeinde regeln kann, soll nicht Aufgabe des Kantons sein. Was in der Hoheit der Kantone liegt, soll nicht der Bund regeln. Meier hält fest, dass diese Tradition sehr wertvoll und nicht zuletzt auch kostengünstig für die Allgemeinheit sei. Leider werde das Subsidiaritätsprinzip immer mehr ausgehöhlt und in Frage gestellt. Nicht zu sagen unterlassen wollte Pirmin Meier, dass er nicht a priori gegen Gemeindefusionen sei. „Was das Subsidiaritätsprinzip betrifft, so schliesst dieses Fusionen nicht aus, fordert jedoch im Zweifelsfalle ein Nein,“ so Meier.
 
Öffentliche Debatten zu Fusionen nötig
Pirmin Meier ist es ein Anliegen, in den Debatten rund um Gemeindefusionen zu differenzieren. Anhand vieler anschaulicher Beispiele aus dem In- und Ausland erläuterte er, wie Zusammenschlüsse glücken könnten. Er machte aber auch klar, dass die geplanten Grossfusionen rund um die Stadt Luzern nicht mit Kleinstfusionen von Gemeinden auf der Landschaft gleichzusetzen seien. Es wäre falsch, keine ausführlichen öffentlichen Debatten über die Vor- und Nachteile der „Starken Stadtregion“ zu führen. Dass diese Debatten von gewissen Fusionsbefürwortern gescheut würden, kritisiert Meier. Problematisch bei der angestrebten Grossstadt Luzern sei deren dadurch entstehende dominante Rolle innerhalb des Kantons. Das anvisierte GrossLuzern mit dereinst über 150'000 Einwohnern würde zu einer Quasi-Spaltung des Kantons in „Stadt und Land“ führen. Ob es tatsächlich zu weiteren Fusionen der Stadt mit den umliegenden Gemeinden komme, hält er für völlig offen. Keine grossen Chancen misst Meier hingegen dem geplanten 70 Millionen schweren Fusions-Kohäsionsfonds zu. Dieser habe beim Volk keine Chancen. Zum Abschluss warnte Meier davor, allzu sehr einzelne Politiker für bestimmte Entscheide verantwortlich zu machen. Jede Zeit habe ihre Trends gehabt und diese gingen sicher nicht bewusst von einigen kantonalen Politkern aus. Deshalb sei es von Seiten der Fusionsgegner zu vermeiden, mit Feindbildern zu arbeiten und man habe statt dessen auf der sachlichen Ebene zu politisieren.
 
Nach der anschliessenden spannenden Diskussion ging ein äusserst interessanter Polit-Abend zu Ende. Dem Referenten und den Gästen sei für die rege Beteiligung bestens gedankt. Der Verein Gegen GrossLuzern hofft, mit dieser öffentlichen Veranstaltung die Auseinandersetzungen zu Fusionen weiter angeregt zu haben und verspricht, seine Arbeit konsequent fortzusetzen.
 
Hier der Beitrag der Luzerner Nachrichten vom 23. Mai 2010: